Augenschein im Kieswerk - eine Fallstudie als Experiment

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Im neu konzipierten Fach «Umweltproblemlösen» beschäftigen sich rund 150 Studierende der Umweltnaturwissenschaften mit einem konkreten Nachhaltigkeitsproblem. Dabei lernen sie, komplexe Themen zu analysieren, Lösungsvorschläge zu erarbeiten und vor allem, dabei die Nerven zu behalten.

von Sophie Valeria Graf
Studierende der Umweltwissenschaften an einer Präsentation im Fach Umweltproblemlösen
Studierende der Umweltwissenschaften an einer Präsentation im Fach Umweltproblemlösen

Ein Kieswerk? Bei der Vorstellung des Themas für die diesjährige Fallstudie im Fach «Umweltproblemlösen» gab es zunächst etwas ratlose Gesichter. Rund einen halben Tag pro Woche und während eines ganzen Jahres sollten die Studierenden an einer Fallstudie zum Kieswerk in Weiach, Kanton Zürich, arbeiten. Das Fach «Umweltproblemlösen» ist ein zentrales Element des neu konzipierten Studiengangs Umweltnatur-wissenschaften und zählt notenmässig gleich viel wie Mathematik oder Chemie. Im ersten Semester erarbeiten die Studierenden ein umfassendes Falldossier, welches den Wissens- und Handlungsbedarf in sechs Teilanalysen aufarbeitet. Im zweiten Semester geht es vor allem darum, das Problem einzugrenzen und Lösungsvorschläge zu entwickeln.

Realitäts-Check inbegriffen

«Dass Probleme mit umweltnaturwissenschaftlichen Methoden analysiert und diese Ergebnisse zusammengeführt wurden, gab es im Fach Umweltnaturwissenschaften schon immer», meint Christian Pohl, Ko-Direktor des D-USYS Transdiziplinaritätslabors (TdLab). Neu ist nun, dass die erarbeiten Lösungen auch tatsächlich im Gespräch mit betroffenen Personen getestet und soweit möglich in der Realität umgesetzt werden sollen. Pohl ist Mitglied des vierköpfigen Dozententeams im Umweltproblemlösen und hat das Fach als transdisziplinäre Langzeit-Fallstudie mit entwickelt. Transdiziplinär sei die Fallstudie deshalb, weil sie die Grenzen des Wissenschaftssystems überschreite, so Pohl.

Vergrösserte Ansicht: Pius Krütli, Kodirektor TdLab, Patric van der Haegen, Eberhard Unternehmungen im Gespräch mit Greg Meylan, PostDoc am TdLab. (v.l.n.r.)
Pius Krütli, Kodirektor TdLab, Patric van der Haegen, Eberhard Unternehmungen im Gespräch mit Greg Meylan, PostDoc am TdLab. (v.l.n.r.)
Neue Denkanstösse mit und durch die PraxisPatric van der Haegen, Eberhard Unternehmungen

Intensive Begleitung

Die Studierenden arbeiten die meiste Zeit selbstständig in tutorierten Gruppen. Fallpartner aus Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft geben kritische Rückmeldungen. Ein wichtiger Partner der diesjährigen Fallstudie ist natürlich das Kieswerk selber. «Die Studierenden fordern uns klar heraus», meint Patric van der Haegen, Leiter Entwicklung bei Eberhard Unternehmungen. Als Betreiberin des Kieswerks bekäme die Unternehmung von den Studierenden einen Spiegel vorgehalten. «Es ist ja nicht so, als hätten wir uns noch nie um das Thema Nachhaltigkeit gekümmert. Aber die Arbeit mit den Studierenden gab uns Impulse für die Öffentlichkeitsarbeit und teilweise auch neue Denkanstösse.» Neben Patric van der Haegen begleiteten Wolfang Wetter vom Amt für Raumplanung im Kanton Zürich, Kaspar Spörri von der Fachstelle Naturschutz, Rainer Kündig von der Schweizerischen Geotechnischen Kommission und Andreas Hasler von Pro Natura das Projekt und lieferten wertvolle Inputs aus der Praxis.

Vergrösserte Ansicht: Mischa Aeschlimann (2. v.r.) präsentiert verschiedene Massnahmen für mehr Natur im Kieswerk
Mischa Aeschlimann (2. v.r.) präsentiert verschiedene Massnahmen für mehr Natur im Kieswerk

Wie weiter?

Aus all der Fülle von Themen rund um den Kiesabbau entschied sich die Gruppe von Mischa Aeschlimann schon realtiv früh im Projekt auf die Lebensräume für Insekten, die durch den Kiesabbau entstehen. In der Schweiz gibt es zum Beispiel rund 615 Arten von Wildbienen, rund die Hälfte davon ist gefährdet. Mit relativ einfach umzusetzenden Massnahmen könnten nun Randgebiete der Kiesgrube für Wildbienen aufgewertet werden: Es sollen mehr Nistplätze geschaffen und gezielt Futterpflanzen angesät werden. Auch zur Finanzierung dieser Massnahmen hat sich die Gruppe bereits Gedanken gemacht. Dies wird vorerst jedoch gar nicht nötig sein. Kanton und Kieswerk haben sich nämlich bereit erklärt, die Habitate für Wildbienen zu verbessern, und dies ziemlich genau nach Anweisung der ETH-Studierenden. «In einem Jahr werden wir wieder bei einer Begehung dabei sein», freut sich die Gruppe der Studierenden, «und sehen, was aus unseren Massnahmen tatsächlich geworden ist». Offiziell ist die Fallstudie «Kiesgrube Weiach» damit abgeschlossen.

Vergrösserte Ansicht: (v.l.n.r.) Annina Joos, Livia Brunner, Mischa Aeschlimann, Roman Zürcher, Phillip Ladner, Monika Göldi
(v.l.n.r.) Annina Joos, Livia Brunner, Mischa Aeschlimann, Roman Zürcher, Phillip Ladner, Monika Göldi
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Präsentation der erarbeiteten Massnahmen am 31.5.2017
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