Antibiotika in der Viehzucht: Hilft eine Antibiotika-Steuer?

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Mit dem weltweiten Fleischkonsum wächst auch die Sorge um die Auswirkungen des routinemässigen Antibiotikaeinsatzes in der Lebensmittelproduktion. Um den Gebrauch von Antibiotika bei Zuchttieren einzudämmen, braucht es Strategien. Ein Team unter der Leitung von Thomas Van Boeckel vom Institut für Integrative Biologie (IBZ) der ETH Zürich hat unterschiedliche Massnahmen auf der ganzen Welt beurteilt.

von Sophie Graf
Thomas Van Boeckel, Postdoc am Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich (Foto: Thomas Van Boeckel)
Thomas Van Boeckel, Postdoc am Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich (Foto: Thomas Van Boeckel)

USYS-News: In der Viehzucht kommen Antibiotika oft als Wachstumsförderer zum Einsatz. Oder sie werden an Orten eingesetzt, wo besonders schlechte Hygienebedingungen herrschen. Welche Probleme ergeben sich daraus?
Der Einsatz von Antibiotika nach dem Giesskannenprinzip führt dazu, dass Bakterien Resistenzen entwickeln. Irgendwann werden die Resistenzen gegenüber herkömmlichen Medikamenten so stark sein, dass dies als Wirkstoffe gar nicht mehr nützen. Häufigere Epidemien und Unterbrechungen der Lebensmittelversorgung könnten die Folge sein. Kurz: Die übermässige Nutzung von Antibiotika kann schwerwiegende Konsequenzen für den Menschen haben. Langfristig liegt sie aber auch nicht im Interesse der Viehwirtschaft.

 

Was haben Sie bezüglich der weltweiten Antibiotikanutzung festgestellt?
Schätzungen in unserer Studie externe SeiteReducing antimicrobial use in food animals, die heute in der Fachzeitschrift «Science» erschienen ist, haben ergeben, dass der weltweite Antibiotikaverbrauch um 52 Prozent zunehmen und bis 2030 sage und schreibe 200’000 Tonnen erreichen wird, sofern keine Gegenmassnahmen ergriffen werden. Diese neuen Zahlen stellen einen alarmierenden Anstieg gegenüber den bereits externe Seitepessimistischen Schätzungen aus dem Jahr 2010 dar. Grund für diesen erschreckenden Aufwärtstrend sind neuste Berichte über den hohen Antibiotikaeinsatz in China und anderen schnell wachsenden Fleischproduzenten.

Vergrösserte Ansicht: Antibiotikaeinsatz in der Fleischproduktion nach Ländern 2013 (hellrot) und Prognose für das Jahr 2030 (dunkelrot)
Antibiotikaeinsatz in der Fleischproduktion nach Ländern 2013 (hellrot) und Prognose für das Jahr 2030 (dunkelrot)

Welche Massnahmen wären Ihrer Meinung nach am wirksamsten, um den Antibiotikaeinsatz in der Viehzucht zu reduzieren?
Um den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren, müssen wir entweder weniger Fleisch konsumieren, strengere Vorschriften für den Einsatz von Antibiotika erlassen oder den Einsatz von Antibiotika in der Viehwirtschaft besteuern. Diese Massnahmen schliessen sich gegenseitig nicht aus, sondern können auch miteinander kombiniert werden. Gemäss unseren Schätzungen könnte der weltweite Antibiotikaeinsatz durch eine Kombination dieser Instrumente insgesamt um 80 Prozent reduziert werden.

Was heisst das konkret?
Wir könnten den gegenwärtigen Antibiotikakonsum weltweit geschätzt um einen Drittel senken, wenn der Einsatz in der Viehwirtschaft besteuert würde. Durch eine solche Steuer würden beachtliche Einnahmen generiert. Mit diesen Geldern − rund 2 Milliarden US$ – könnte die Entwicklung von neuen Medikamenten vorangetrieben werden. Oder sie könnten genutzt werden, um die Einführung wirksamerer Hygienemassnahmen zu subventionieren.  

Eine weitere Möglichkeit sind strengere Vorschriften in Form von Grenzwerten. Insgesamt denken wir, wären die strengeren Vorschriften im Sinne von Grenzwerten für Antibiotika in der Viehzucht zwar sehr wirksam. Logistisch sind sie aber wohl sehr viel schwieriger umzusetzen als die Besteuerung von Antibiotika-Lieferungen ab Fabrik.

Vergrösserte Ansicht: Antibiotikaeinsatz in der Viehzucht im Jahr 2030 bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen (graue Balken) im Vergleich zu Szenarien mit Interventionsmassnahmen: Vorschriften zur Beschränkung des Antibiotikaeinsatzes pro Kilogramm produzierten Fleischs (Target 1), Reduktion des Fleischverbrauchs (Target 2), Erhebung von Steuern auf den Antibiotikaverkauf (Target 3). Die weissen Balken stellen die erwartete Bandbreite der Steuereinnahmen dar.
Antibiotikaeinsatz in der Viehzucht im Jahr 2030 bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen (graue Balken) im Vergleich zu Szenarien mit Interventionsmassnahmen: Vorschriften zur Beschränkung des Antibiotikaeinsatzes pro Kilogramm produzierten Fleischs (Target 1), Reduktion des Fleischverbrauchs (Target 2), Erhebung von Steuern auf den Antibiotikaverkauf (Target 3). Die weissen Balken (unten) stellen die erwartete Bandbreite der Steuereinnahmen dar.

Schauen wir uns die Zahlen etwas genauer an: Verglichen mit dem Szenario ohne Interventionsmassnahmen (links) würde ein weltweiter Grenzwert von 50 mg Antibiotika je Kilogramm Fleisch pro Jahr in den OECD-Ländern den weltweiten Verbrauch um 60 Prozent reduzieren, ohne die durch die Viehzucht getriebene wirtschaftliche Entwicklung in Ländern mit niedrigem Einkommen zu beeinträchtigen. In solchen Ländern könnte sich die Einführung entsprechender Vorschriften jedoch als schwierig erweisen. Eine Alternative könnte deshalb eine Steuer in Höhe von 50 Prozent des aktuellen Preises der Antibiotika für die Tiere sein. Damit liesse sich der weltweite Verbrauch um 31 Prozent senken, und es würden jährliche Einnahmen von 1,7 bis 4,6 Milliarden US$  generiert.

Welcher Methoden haben Sie sich bedient, und welchen Einschränkungen unterliegt die Studie?
Für die Vorhersagen zum Antibiotikaeinsatz haben wir multivariate Regressionsmodelle genutzt. Zusätzlich kamen grundlegende Methoden der Mikroökonomie zum Einsatz, um die Auswirkungen einer Wertsteuer auf Antibiotika zu beurteilen. Eine wichtige Einschränkung bestand im Zugang zu harmonisierten Daten zu den Preisen und Absatzzahlen für Antibiotika. Zurzeit veröffentlichen nur 38 Länder entsprechende Daten. Die Viehwirtschaft war leider nicht bereit, zusätzliche Daten zur Verfügung zu stellen, um die Qualität unserer Schätzungen zu verbessern.

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